Donnerstag, April 25 2024

Besondere Zeiten bringen außergewöhnliche Initiativen hervor. Und manchmal entwickeln sich aus den kreativen Ideen erfolgreiche Selbstläufer. So geschehen mit dem ersten Online-Fachvortrag, zu dem der Vereinsvorstand seine Mitglieder am 22. Februar dieses Jahres einlud.

Im Mittelpunkt des einstündigen Vortrags inklusive sich anschließender Diskussionsrunde standen die außergewöhnlichen Fresken der evangelischen Kirche in Schmiegen (Şmig/Somogyon). Als Referenten konnte der Vorstand den erfahrenen Restaurator auf dem Gebiet der Fresken in siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen, Lóránd Kiss, gewinnen.

Der ungarisch-stämmige Restaurator aus Târgu Mureş führte bereits im Jahr 2009 eine erste umfassende Untersuchung der Wandflächen in Schmiegen durch. Ihr folgten weitere Aufdeckungs- und Konservierungsarbeiten auf freiwilliger Basis. Auch für dieses Jahr ist unter Leitung des Experten für das Aufspüren und Offenlegen von verdeckten Wandmalereien ein vom Verein mitinitiierter einwöchiger Workshop mit Studenten aus dem Fachbereich Restaurierung-Konservierung der Universitäten in Klausenburg und Bukarest geplant.

Die kleine Saalkirche von Schmiegen im Nordosten von Mediasch gehört zu den Herzensprojekten des Vereins. Ihre Ursprünge gehen bis ins 14. Jahrhundert zurück. Damals wird der Ort zum ersten Mal als untertänige Gemeinde auf Komitatsboden erwähnt. Etwa einhundert Jahre später erhielt sie ihr heutiges Aussehen. Mitte des 19. Jahrhunderts befand sie sich in einem derart desolaten Zustand, dass die Kirche behördlich gesperrt und der Gottesdienst in den Turm ausgelagert wurde. Im Zuge der Komplettsanierung fanden die vorreformatorischen Wandmalereien keine Gnade mehr im Auge der Betrachter und wurden innen vollständig übertüncht.

Die über die letzten Jahre erfolgten Offenlegungen und Untersuchungen der Fresken brachten Erstaunliches zutage. Mit mehr als 150 m2 besitzt die gotische Kirche nicht nur eine der großflächigsten, sondern auch der am besten erhaltenen Wandmalereien des Zwischenkokelgebiets. Während an der Außenwand des Chores eine großformatige Christophorus-Darstellung im Süden und die Jungfrau Maria auf der Ostseite nur noch fragmentarisch zu sehen bzw. zu erahnen sind, bietet der Innenraum einen unvergleichlichen ikonografischen Reichtum.

Heiligenlegenden und Märtyrerszenen an der Nordwand

Nach den bisherigen Erkenntnissen werden die Fresken im Innern der Kirche auf Ende des 14. / Anfang des 15. Jahrhunderts datiert und zeigen mit einer Ausnahme Parallelen zum westlich-gotischen Stil des Malers, der auch in Malmkrog (Mălâncrav/Almakérék) tätig war. Hauptsächlich kam dabei die Fresko-Technik zur Anwendung, bei der die zuvor in Wasser gelösten Farbpigmente wie Ocker, Zinnoberrot, Kupfergrün und Azurblau direkt auf den noch feuchten Kalkputz aufgetragen wurden.

Mittlerweile, so erklärt Lóránd Kiss, sind an der vollständig bemalten Nordwand vier untereinanderliegende Abschnitte nicht nur erkennbar, sondern bereits großflächig freigelegt.

Innenansicht der Kirche in Schmiegen mit Wandmalereien und Altar

Das oberste Freskenband erzählt die Legende des ungarischen Königs Ladislaus. Der nach seinem Tod vom Papst heiliggesprochene Monarch jagt hoch zu Ross einem wilden Kumanen nach, der eine Jungfrau entführt hat. Mit ihrer Hilfe gelingt es dem Heiligen Ladislaus den Ungläubigen zu stellen, im Kampf zu töten und somit die Ehre der Jungfrau zu retten. Eine ähnliche Darstellung findet sich in der unitarischen Kirche in Dersch im Szeklerland, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt.

Der darunter liegende Wandabschnitt ist der Heiligen Katharina von Alexandria gewidmet, auf dem sich der Diskurs mit den 50 Philosophen vor Kaiser Maxentius erkennen lässt. In der dritten Bildpassage steht das Leben, Wirken und Martyrium der Heiligen Margareta von Antiochien im Mittelpunkt, während sich das untere Freskensegment mit dem Märtyrertod des Apostels Petrus auseinandersetzt, an das sich die Szene des Jüngsten Gerichts anschließt.

Schmiegen – ein Kleinod mittelalterlicher Bauelemente

Doch nicht nur die Nordwand präsentiert sich komplett ausgemalt, sondern auch der Chorraum, der allerdings noch auf Freilegung wartet. Lediglich im Bereich der steinernen Sedilie gibt es bereits aufschlussreiche Entdeckungen zu machen. Da sich Schmiegen als untertänige Gemeinde im Besitz ungarischer Adelsgeschlechter befand, erstaunt es nicht, dass die beiden ungarischen Könige, der Heilige Ladislaus als auch der Heilige Stephan hier Präsenz zeigen. Als interessantes Detail gilt dabei die Wiedergabe der Zweiteilung des ungarischen Wappens auf den Rüstungen der beiden Monarchen.

Freskenband am Triumphbogen der Kirche in Schmiegen

Ein wesentlich biblischeres Bildprogramm ist dagegen am Triumphbogen in Form des in der Gotik häufig verwendeten Gleichnisses der zehn klugen und törichten Jungfrauen zu bewundern.

Nach den reichhaltigen Bildimpressionen der imposanten Wandgemälde erinnerte Lóránd Kiss zum Abschluss seiner hochinformativen Online-Präsentation an die weiteren erhaltenswerten mittelalterlichen Bauelemente und Ausstattungen der Kirche in Schmiegen. Dazu gehören die originalen Bleiglasfenster, die mit kunstvollen Eisenbeschlägen verzierten Eichentüren ebenso wie die Glocke aus dem 16. Jahrhundert oder das gotische Chorgestühl.

Aus diesem Grund möchte der Verein Kulturerbe Kirchenburgen e. V. dem verwaisten Sakralgebäude und seinem einmaligen Kulturerbe eine langfristige Perspektive geben. Wir planen deshalb noch für dieses Jahr, neben Arbeiten zum Bauwerkserhalt der Kirche, weitere Maßnahmen zur nachhaltigen Nutzung des Kirchenensembles wie z.B. die Einbindung in ein kulturtouristisches Konzept. Mehr dazu in Kürze.

Die Vortragsreihe geht weiter…

Motiviert durch die rege Teilnahme am ersten Online-Fachvortrag wird dieses kostenfreie Angebot für die Vereinsmitglieder und Gäste nun monatlich fortgesetzt. Man darf deshalb auf die nächsten hochwertigen Themen und Referenten gespannt sein.

Wer also keinen der nächsten Fachvorträge verpassen oder den Verein bei seiner Arbeit zum Erhalt der siebenbürgisch-sächsischen Kulturlandschaft unterstützen möchte, findet hier weitere Informationen.

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